Ich bereue wenig im Leben …
Dass ich mich jahrelang geweigert habe, einen Fuß auf mallorquinischen Boden zu setzen, ist aber definitiv eines dieser Dinge. Jenseits von Ballermann und Schinkenstraße ist das Eiland ein lukullischer Traum! Egal ob Mitten in Palma oder versteckt in entlegenen Dörfern – Mallorca ist übersät mit Perlen des guten Geschmacks …
Okay, auf dem Weg vom Gepäckband zum Taxi musste ich doch noch einmal tieeeeef durchatmen! Bierbeseelt grölende Party-Horden in Bademänteln mit Gettoblastern und Blinke-Brillen schwankten mir entgegen. Bin ich spießig? Vielleicht – wahrscheinlich war ich aber einfach nur rasend hungrig auf die wahren Genüsse Mallorcas …
Um es vorweg zu nehmen: Mein Appetit wurde gestillt. Jeder Urlaubstag war ein kulinarisches Fest! Drei Gelage haben sich dabei besonders in mein Geschmacksgedächtnis eingebrannt – jedes auf seine ganz spezielle Weise!
Markt-Genuss am Mittag
Beginnen wir mit Santa Catalina im Westen Palmas. Einst lebten in den bunten Häuschen nahe der Bucht die Fischer der Insel. Die sind zwar nicht mehr da, aber der architektonische Charme ist geblieben. Inzwischen hat sich das Barrio zum Szene-Treffpunkt mit unzähligen Bars, Cafés und Restaurants entwickelt.
Die Seele des Quartiers ist seit 1905 unbestritten der Mercat de Santa Catalina: Damals wie heute erledigen in der kleinen Markthalle Vollblut-Köche und Profi-Hausfrauen ihre Einkäufe, die Nachbarschaft trifft sich bei einem Cortado zum Tratschen und Touristen können sich täglich (außer sonntags) von 9 bis 16 Uhr durch die Leckereien kosten.
Ostras & Jamón con Queso
Schon bei dem Gedanken an die saftigen Ibérico Schinken und Käsespezialitäten, zieht mich mein Geschmackskompass wie ferngesteuert zum Stand des kleinen Familienunternehmens Saglá. Zu einfachen Weinen Spaniens (Glas ab 3 Euro) kann man sich durch die ausschweifende Käseauswahl (Platte mit fünf Sorten um 8 Euro) kosten, Sobrasada und Chorizo schlemmen oder die unterschiedlichen Qualitätsstufen des zartschmelzenden Jamón Ibérico (10 bis 20 Euro) erschmecken.
Doch kurz vor dem Ziel weiche ich vom Kurs ab: Austern! Erwähnte ich schon, dass ich Austern liebe? Sofort bestelle ich ein paar der herrlich frischen Exemplare von der wilden Küste Galiciens (3 Euro / Stück), nehme noch einige aus dem spanischen Mittelmeerraum (2,50 Euro / Stück) dazu und bestelle zum Runterspülen una Copa de Cava (2,50 Euro). So schmeckt Glück!
Und gut unterhalten werde ich auch: Die freundliche Austernverkäuferin bringt mir das spanische Wort für Austern bei: „Ostrrrras“ – klingt gut! Und ein Pärchen aus North-Carolina verrät mir, dass man sich jedes der ausgestellten Meerestiere von den Fischständen gegenüber, frisch zuzubereiten lassen kann. Aber ich passe – Schinken wie Käse warten ungeduldig auf mich …
Ein köstliches Dorf
Eigentlich haben wir in dem kaum mehr als 1000 Seelen beherbergenden Son Carrió nicht mit einem Festessen gerechnet! Doch genau das hat man uns im Restaurante Es Torrent – ein puristisches Lokal, das auf angenehme Art den kruden Charme einer mediterranen Dorfkneipe versprüht – serviert. Und tatsächlich ärgern wir uns heute noch, dass wir statt des achtgängigen Degustations-Menüs (70 Euro plus Wein) nur fünf Gänge inklusive Weinbegleitung (55 Euro) bestellt haben. Aber die Karte wechselt wöchentlich – also gibt es gleich zwei Gründe, wieder im Es Torrent einzukehren.
Nun aber zum Wesentlichen: Nach hausgebackenem Brot und köstlichem Olivenöl, grüßt die Küche mit einem von Pulpotinte schwarzen Reis-Chip, zu dem Rote Bete und Fischeier farblich einen angenehmen Kontrast zeichnen. Sehr nett! Genau wie der Service. Glücksgefühle machen sich dann schon beim ersten Gang breit: Eine ausgezeichnete Fischsuppe, in der frische Herzmuscheln, Fenchel und Ananas auf einem Reis-Cracker schwimmen. Herrlich frisch, fruchtig und kein bisschen fischig!
Der Naranjas Azules aus Garnacha-Trauben passt hervorragend dazu: frisch fruchtig wie ein Weißer, dabei aber klar und komplex. Wie ich später erfahre, zählt der Rosé des Weinguts Soto y Manrique aus Valladolid zu den besten der Duero-Region. Und obwohl nicht der hochgelobte 2015-Jahrgang eingeschenkt wird – der 2016er ist fantastisch.
Mein Tipp: Offene Weine werden im Es Torrent pauschal für 3,75 Euro angeboten!
Knoblauch ist das neue Salz
Die Knobi-Keule hat das nun folgende Reis-Kaninchen zum Glück nicht ganz erschlagen. Geschmacklich trägt die intensive Süße der Rosinen und frittierten Süßkartoffeln den angeschlagenen Klopfer sogar über die Ziellinie. Interessant ist auch der nächste Gang: Hundshai frittiert! Obwohl so ein Meeresbewohner auf dem Teller ja eher politisch unkorrekt ist und darüber hinaus so staubtrocken daher kommt wie es ein Hai eben tut, erreicht das typisch mallorquinische Gericht dank Saubohnen, Blutwurst und Haselnuss ebenfalls das Geschmacksziel. Platz eins und zwei gehen aber an die Cannelloni – die haben wir nämlich gleich zwei mal bestellt (5 Euro extra).
Das Gericht war einfach zu köstlich: Die Hacksauce muss stundenlang im Topf vor sich hin gesimmert haben und der Teigmantel ist köstlich kross bis ans Limit gegart. Dazu reicht die Küche Äpfel in Form von Kompott und Chips sowie Skitake-Pilze und Mallorca-Trüffel. Letzterer schmeckt übrigens eher neutral und erinnert nur optisch an die kostbaren Perigord-Trüffel.
Zum Abschluss gibt´s Balsamico-Erdbeeren und ein kleines Zitronen-Törtchen, das für meinen Geschmack ruhig etwas zitroniger hätte sein dürfen. Der Gin-Fizz bizzelt aber hervorragend dazu und alle anderen in der Runde sind selig mit ihrer Schokoladen-Variation.
Der Stern von Capdepera
„In diesem Restaurant können Sie die authentische mallorquinische Küche entdecken, die hier unter Anwendung modernster kulinarischer Handwerkskunst gezaubert wird“, schreibt der Michelin über das Restaurant Andreu Genestra im Hotel Son Jaumell von Capdepera und dekoriert das Fine-Dining-Lokal seit 2014 mit einem Stern.
Das hat meine Neugier geweckt und für den letzten Abend vor der Abreise reservieren wir einen Tisch. Und das sollte man unbedingt rechtzeitig tun: Obwohl drei Tage im Voraus gebucht, dürfen wir uns erst 21.30 Uhr setzen. Angesichts der fortgeschrittenen Stunde bestellen wir dann „nur“ das achtgängige Degustationsmenü „Sensaciones“ ( 78 Euro, mit Weinbegleitung 133 Euro). Die Dauer ist in der Speisekarte mit zwei Stunden angegeben. Allerdings erreicht uns das letzte Dessert erst kurz nach 1 Uhr. Zum Glück sind die Stühle – eigentlich eher Sessel – optimal für lukullische Ausschweifungen dieser Art gepolstert. Und am Ende des Abends haben sogar die weißen Tischdecken ihren steifen Charme verloren.
Inspiration für Zuhause
Aber nicht alle Gänge blieben in Erinnerung. Schade! Doch schon vor dem ersten Gang inspiriert das gereichte Brot mit Olivenöl und ich überlege ernsthaft einen Töpferkurs zu belegen …
Das fruchtig feine Olivenöl wird nämlich in einem hochinteressanten Gefäß serviert. Und während die Kellnerin das Öl über den lustigen Zapfen fließen lässt, erklärt sie: „Auf diese Weise entfaltet sich das Aroma am besten.“ Diesen Dekanter will ich auch! Und Brot bringe ich künftig auch auf heißen Steinen an den Tisch. Eine tolle Idee! Außerdem schmeckt das schwere Ciabatta mit der herrlich krossen Kruste gigantisch gut.
Auch der an zweiter oder dritter Stelle folgende „Salat“ ist vorzüglich. Mit herkömmlichem Grünzeug hat das Gericht allerdings wenig zu tun: Um säuerlich eingelegte Kaktusblätter kullern köstlich frittierte Sobrasada-Bällchen herum. Eine sensationell leckere Kombination – so habe ich Salat wirklich noch nie gegessen …
Angerichtet waren die Köstlichkeiten übrigens jedes Mal ganz wunderbar und der aufmerksame Service brachte sie auf teils recht ausgefallenen Töpfer-Kreationen daher. Aber ob ich noch mal bei Andreu Genestra speisen werde? Vielleicht …
Mein Fazit
Eines steht fest: Mein Geschmackskompass zeigt ab sofort auch in Richtung Mallorca und ich werde sicher bald wieder auf die Balearen-Insel reisen …
Ein toller Bericht, der mehr Lust auf mediterranen Genuss macht! Schön, dass Mallorca dich überzeugen konnte.